Die Geschichte von Schönstadt fängt nicht um 600 n. Chr. mit der Gründung der Martinskirche und Mittelzeit der „stat”-Gründungen an, sondern schon bedeutend früher im Gebiet der Hirschberge (der größte Teil des Junkernwaldes), wie dies nach den neuesten Forschungen von Wissenschaftlern vermutet wird.
Hier wurde 1949 eine bronzezeitliche Bandkeramikersiedlung aus der Zeit um 2500 v. Chr. am Rande des kleinen Hirschberges und einige Jahre später sieben „königliche” Hügelgräber in der Nähe vom Junkersgrab entdeckt. Auch am „Hoheberg” war eine vorgeschichtliche Siedlung mit Funden belegt. Ebenfalls der noch heute sichtbare Doppelwall auf der Eibenhardt hat etwas mit unserer Geschichte zu tun.
Das fruchtbare Tal des Roten Wassers bot in der mittleren Lage, wo heute Schönstadt und Fleckenbühl liegen, eine günstige Siedlungsmöglichkeit.
Wenn auch die urkundlichen Belege fehlen, so wird doch angenommen, dass das ehemalige Gebiet des Gerichts Schönstadt, das erst im 13. Jahrhundert genannt wird, vor der Jahrtausendwende Krongut, d. h. königliche Besitzung war. Irgendwo in der Nähe residierte ein Graf und verwaltete diese Ländereien.
Später finden wir· Belege, dass ein Teil dieser Äcker und Mühlen dieses Gebietes von dem Marienstift Wetzlar verwaltet wird. Sonderbarerweise sind drei Schönstädter Mühlen in diesem Inventar nicht enthalten und auch merkwürdig ist es, dass in unserem Gebiet viele Ackerleute mit Pflug lebten, die die Felder ihr eigen nannten.
Viele Flurnamen wie Salfeld, Salwiese, Salweg oder Sal(Sohl)acker und Sal(Sohl)bach als Bach und Wüstung sowie Sassenrode bestätigen diese Annahme der Wissenschaftler. Auch die heute als „Hoheberg” u. „Rot” genannte Feldfluren hießen um 1500 noch „Salrod”. Wissenschaftler und Heimatforscher, die sich mit unserem Gebiet befassen, müssten ihren Spaten auf diesem Gebiet ansetzen, denn sie werden viele Anhaltspunkte für frühere Siedlungen finden. Vielleicht kann dieses Gebiet auch mit den Bielstein (Gerichtsplatz der Germanen) in Zusammenhang gebracht werden. Jedenfalls bei dem letzten Abtrieb „Hohenbergs”, der bis 1914 zur Gemarkung Schönstadt gehörte,
konnte man die ehemaligen Streifenfluren der dort befindlichen Wüstung erkennen. Diese sind in dem Buch über die siedlungsgeographische Beschreibung des südlichen Burgwaldes von G. Eisel nicht aufgeführt.
Sassenrode (heute Sesserod), das Flurstück links von unserem Friedhof, entstand nach der Schlacht von Laisa im Jahre 778 durch die Rodung und die anschließende Besiedlung mit sächsischen Gefangenen zur Zeit Karls des Großen. Diese Siedlung lag neben der breiten Rollbahn, wie die alten Heerstraßen der Franken genannt wurden. Ihre Bevölkerung vermischte sich mit der von Schönstadt.
Die Behauptung, dass Schönstadt schon vor fast zwei Jahrtausenden von den Römern gegründet wurde, da auch diese „stat”-Siedlungen hinterließen und in unserer Gegend bei der Vernichtung des Chatten-Reiches mehrmals durch Schönstadt zogen, muss noch nachgewiesen werden.
Bestätigt werden muss auch noch, dass die 2. große Schlacht zwischen den Franken und Sachsen, bei der es keinen Sieger gab, auf der Betziesdorfer Höhe stattfand.
im Jahre 1225 wurde die Schönstädter Stiftsmühle erwähnt. Wo also eine Mühle und eine Kirche standen, waren auch Bewohner wie Leibeigene, freie Bauern, Handwerker und Adelige. So z. B. haben Besitzungen in Schönstadt die Herren von Erfurtshausen, die nach über 100 Jahren dem Ritter Milchling die Mühle verkauften. Ebenfalls war Edelknecht Burkhardt Kaly, Burgmann zu Gießen, und seine Frau Kunigunde hier begütert, von dem Conrad Milchling und Jutta, seine Frau, am 25. Mai 1331 die Besitzungen erworben haben.
Die Geschichte Schönstadts ist nicht nur schön und vielfältig, sondern auch fast lückenlos. Ich möchte trotzdem in gekürzter Fassung diese Geschichte in verschiedenen Etappen vortragen, wie z. B. Ortsgeschichte, die Geschichte von Fleckenbühl und die Geschichte der Familie Milchling. Die Geschichte des Gerichts Schönstadt und Dekanats Schönstadt sowie die Kirchen- und Schul-Chronik sollten hier nicht dargebracht werden.
Ortsgeschichte
Wie wir eben gelesen haben, wird in Schönstadt im Jahre 1225 eine Mühle erwähnt, die ebenfalls einmalig in unserer Gegend ist, denn auch in größerem Bereich wurde eine Mühle davor urkundlich noch nicht überliefert. Darauf können wir, wenn auch andere urkundliche Belege fehlen, recht stolz sein.
Der Kanonissen-Stift zu Wetter wurde bereits im 11. Jahrhundert gegründet, ·aber auch hier fehlen die Belege bis zu unserer Mühle.
Urkunden wurden erst gesammelt und aufbewahrt, nachdem ordentliche Prozesse im Hessenlande stattfanden. Die Belege spielten dabei eine große Rolle, denn wer die Urkunde besaß, hatte auch das Recht. Bis dahin wurden auch aus diesem Grunde in dem Kanonissenstift in Wetter keinerlei Urkunden aufbewahrt oder sie sind durch Feuersbrünste, Kriege oder andere Einwirkungen vernichtet worden oder verloren gegangen.
Vom Jahre 1225 bis zur Niederreißung dieser Stiftsmühle sind fast alle Müller, die diese Mühle gepachtet hatten, namentlich erfasst und im Urkundenbuch des Kanonissenstiftes Wetter bis zur Reformation nachzulesen. Die anderen Pächter werden durch die Urkunden der Althessischen Ritterschaft sowie andere Unterlagen bis zur Ablösung erfasst. Die Ablösung war die Inbesitznahme der Mühle 1838 durch den Leinweber und Müller Johann Heinrich Leisge aus Schönstadt, der den Mühlenbetrieb weiter unterhielt.
Es ist auch festgehalten, dass ein Müller bereits um 1501 neben dem Mühlenbetrieb noch eine Bäckerei unterhielt, wie auch, dass an der Stelle dieser Mühle 1910 das Elektrizitätswerk der Dampfbäckerei Pitz errichtet wurde und alle Häuser Schönstadt von hier mit elektrischem Licht versorgte.
Die dörflichen Geschehnisse sind durch die Hinterlassenschaft des Geschlechts der Milchlinge aus dem Jahre 1331 bis 1890 und von verschiedenen Archivalien belegt und überliefert. Zu einem späteren Zeitpunkt werden diese in Form eines Buches niedergeschrieben und veröffentlicht. Die ersten steuerzahlenden Bürger Schönstadts werden schon in den Registern der Probstei von Petersberg bei Fulda listenmäßig erfasst.
Das Dorfbuch aus dem Jahre 1577, worin auch die vorgeschriebenen Dienste der Gemeinde an die Landgrafen und Gerichtsherren erscheinen, sowie das Salbuch von 1592, worin Schönstadt nicht nur als Gericht sondern auch als Amt bestätigt wird, erwähnen bereits die Verhältnisse im Dorf und nennen auch die Namen der Haushaltsvorstände.
Es wurde schon ein Unterschied zwischen Besitzlosen und Besitzenden gemacht.
Die Ackerleute mit Pflügen:
Cuntz Scheur | Herman von Rosphe |
Christophel Diemar | Herman Geiß |
Cuntz Baur | Hermann Fißeler |
Dönges Hehr | Johannes Wolf |
Enders Peil | Jost Scheffer |
Heintz Schefer | Peter Wagner |
Heinrich Schneider | Peter Hehr |
Henchgen Gnau | Wust Curt |
Schultheiß war Hermann Fißeler, Gerichtsschreiber Seyfrit Baltzer und die Gerichtsvorsteher Cuntz Scheur, Reichhart Grüne und Dönges Hehr. Der erste Bürgermeister wird erst 1612 von der Bevölkerung gewählt.
Die Einläuftigen mit wenig Besitz, die ihre Felder mit Hacken bearbeitet haben, sind:
Bernhart Reitz | Hanchen Schmit |
Cuntz Dienst | Herman Baur |
Caspar Weber | Johan Breckel |
Curt Dor | Johan Hoefmeister |
Enders Gnau | Johan Weilant |
Ernst Gnaus Witwe | Johan Eckhart |
Gerlach Eisenkraut | Johanns Schmits Witwe |
Gela Pendio | Johann Scheurn Witwe |
Gerlach Wagner | Ludwig Weber |
Heinckel Schneider | Martin Rachelshausen |
Hans Hartman | Philips Döhr |
Heintz Gruen | Peter Ammenhausen |
Hans Baurs Witwe | Reichhart Müller |
Hartmann Pendio | Seyfrit Baltzer |
Hans Becker | Thomas Hanß |
Hanschen Schmit | Weigant Schefer |
Hanß Schmit | Wilhelm Hehr |
Henchen Denkenbach | Weigant von Wohr |
Hanß Strau | Weigant Wolff |
Hans Diemars Witwe | und Bernhart (im Siechenhaus) |
Im Salbuch von 1592 tauchen noch viele andere Namen auf. Dies ist aber damit zu erklären, dass dieses Buch auch mindestens hundert Jahre lang benutzt wurde. Die vorhandenen zwei Exemplare im Marburger Staatsarchiv sind Kopien.
So gibt es z. B.: Horn Hans, Hans von Sterzhausen, Dilgen Hans Erben, Arnolt Diemar Erben, Lotz Weißgerber, Henchen Weißgerber, Seibell Amman, Seibel Weymar, Peter Wirth, Cuntz Sender Erben, Enders Bonhart, Andreas Gnau, Cuntz von Stausebach, Moln Hen, Johan Crain, Michael Gobel, Berschen Meckel (Jude), Han Becker, Maul Hen Erben, Hans Braun, Hans Opfermann, Seibel Baltzer, Lotz Zimmer Elsgen (Zimmersehe), Peter Sprenger, Lotzen Peter, Hans Diemar, Hermann von Rosentall, Ebert Treiß, Fritz Scheffer, Dortchen Scheffer und Hans Naumann, um nur einige zu nennen.
Im Salbuch werden auch die einzelnen Acker mit Begrenzungen beschrieben, so dass ein Ortskundiger heute noch die einzelnen Ländereien finden würde.
Schönstadt hatte um diese Zeit schon über 300 Einwohner. Diese Größe entstand durch die Auflösung der Dörfer, zu denen wir heute Wüstungen sagen, wie Dampertshausen, Weidrichhausen, Rondehausen und die vor kurzem entdeckte Sol(Sal)bach zwischen Schönstadt und Schwarzenborn. Das Dorf wuchs auch durch die Aufgabe der Einzelgehöfte, die um Schönstadt lagen.
Die meisten Besitzungen (wenn der Mann starb) kaufte die Familie Milchling mit einem Wiederkaufsrecht auf. War nach zehnjähriger Wartezeit das Haus mit Grundstücken nicht zurückgekauft, so wurde es abgerissen und den Milchling’schen Ackern endgültig einverleibt.
Auch das Waldbuch von 1603 gibt Aufschluss über unseren Gemeindewald zwischen Schwarzenborn und Schönstadt, die sogenannte Gemeinshecke, die 1838 in 55 Teilen kostenlos an die Landwirte, bzw. die, die Land hatten, verteilt und gerodet wurde. Ob einer viel oder wenig hatte, spielte dabei keine Rolle, jeder bekam ein Hektar. „Zwischen Schwarzenborn und Schönstadt ist ein Gestreuch, haben die einwarten zur Schönstadt” heißt es auch im Salbuch.
Die Einwarte waren schon im Mittelalter die bäuerlichen Genossenschaften. Wir finden sie hauptsächlich in Kurhessen und waren in unserer Gegend in Ober- und Unterrosphe, Ginseldorf und Cölbe. Die meisten Einwarte beziehen sich jedoch auf Wiesen-Be- und Entwässerung.
Der Wald zwischen Reddehausen und Schönstadt, der sogenannte Gerichtsstrauch wo der Galgen stand, gehörte je zur Hälfte dem Landgrafen und den Gerichtjunkern auf Fleckenbühl und Bürgeln.
Früher waren auch Unterlagen da, die die Rechte an den Burgwald bescheinigten da Schönstadt keine Waldzins dafür entrichtet. Das heißt, Schönstadt zahlt nur für die Hute aber nicht für das Holz.
Noch mehr zeigt das im Jahr 1745 erstellte Lager- und Stückbuch über Besitzverhältnisse der einzelnen Landwirte, das als Vorläufer der Katasterbücher 1860, also auch über 100 Jahre lang, Gültigkeit hatte. Diese Aufzeichnungen nennen auch das Handwerk im Dorf. Hervorstechend ist der Orgelbau, der in zwei Lehrergenerationen betrieben wurde, aber auch die „Fabrique” mit drei Webmaschinen, die die fabrikmäßige Herstellung von Feinstrümpfen 15 Jahre später übernahm.
Von der Zeit, als Schönstadt zum Königreich Westfalen gehörte soll hier nicht viel erzählt werden. Wichtig erscheint, dass wir damals zum Kanton Rosenthal gehörten, das gesamte Gebiet des Gerichts Schönstadt. Nur Cölbe gehörte zum Kanton Caldern. In Schönstadt residierte der „Maire” (Sprich: mähr), Bürgermeister, Johannes Wenz und es ging im Dienstgebrauch recht französisch zu.
Die Angaben über die Einwohnerzahl von Schönstadt aus dem Jahre 1745 wie auf der herrschaftlichen sowohl auch auf der adligen Seite stimmen nicht.
Nach diesen Aufzeichnungen hätte das Dorf 1745 weniger Einwohner als 150 Jahre davor. Oder aber hat Schönstadt seit 1745, also innerhalb eines Jahrhunderts, bis 1850 oder in den letzten 50 Jahren, also seit der Einführung der neuen Postmeisterei (die eine Filiale aus Marburg war), eine rigorose Entwicklung durchgemacht. Die Zahl der Einwohner stieg um 145 Prozent auf 800. Auch das Handwerk und die Dienstleistung stieg bis 1850 um das doppelte.
In Schönstadt war bis Mitte des vorigen Jahrhunderts ein ungeahnter Wohlstand entstanden. Mit einer Brauerei, acht Brennereien, sechs Gasthäusern, fünf Schmieden, sieben Schuhmachern und zehn Schneidern konnte sich das Dorf schon sehen lassen. Die Gemeindekasse war leer, aber das Volk, Bauern und Handwerker in der Mehrzahl, waren wohlhabend, wie auch der damalige Pfarrer bestätigte.
Wohlhabend bis zu dem traurigsten Tag der Schönstädter Geschichte, am 3. April 1850, als die Main-Weser-Bahn zwischen Marburg und Kassel eröffnet wurde.
Nicht nur die inzwischen selbständig gewordene Posthalterei mit Pferdewechsel (Gasthaus Ruppersberg) musste aufgegeben werden, sondern auch der einige Jahre vorher gebaute Fuhrmannstall und Gastwirtschaft Maus (Ruppersberg, Hebertsbach) und die damit verbundenen Schmieden und noch eine weitere (Dehn, gegenüber dem alten Posthaus).
Eingegangen sind auch drei Brennereien und die Brauerei, sieben Schneider, zwei Schuhmacher, zwei Schreiner und. eine Ziegelei. Alles in allem gerechnet, haben 25%, also 200 Einwohner, das tägliche Brot verloren.
Sieben Jahre später gibt es nur noch 752 Einwohner, wovon 75, also 1/10 „Fürsorgeempfänger” sind.
„Die reicheren Einwohner nehmen von Bedürftigen einige Kinder in Kost… ” berichtete Pfarrer Koch.
Da so viel Arbeitslose da waren, wurde auch der Lohn erstmal gering und so verdiente z.B. ein Knecht 20 bis 30 und eine Magd 12 bis 18 Reichstaler. In Bracht und Cölbe wurde bedeutend höher bezahlt und die Arbeitgeber boten zusätzlich Naturalien.
25 Jahre nach diesem Tag hat Schönstadt nur noch 600 Einwohner und erst danach normalisierte sich langsam das Leben im Dorf. Die Einwohnerzahl wuchs langsam.
Ähnliches hat sich 1850, was von Geschichtsschreibern festgehalten wurde, auch in Jesberg abgespielt. Dort konnte aber die Post eine neue, wenn auch kurze Strecke mit „Personenbeförderung” bis Zimmersrode einrichten.
Für Schönstadt wurde die Post dann durch Rauschenberg zugestellt. 1877 erfolgte die Zustellung von Marburg und 32 Jahre nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, also 1882, bekam, obwohl schon ein alter Mann, Daniel Ruppersberg die nunmehr Postagentur genannte Poststelle.
1857 gibt uns die aus 184 Antworten bestehende Fragebogen-Aktion des historischen Vereins (bei dem der Hess. Cass. Cammerherr Dietrich Georg Ludwig von Milchling 80 Jahre davor Ehrenmitglied war), die in Schönstadt unser Pfarrer Friedrich Koch ausgefüllt hat, eine genaue Übersicht aus dem täglichen Leben.
So wissen wir genau, dass in diesem Jahr im Ort 740 evangelische Einwohner in 100 Familien und 12 Juden in 2 Familien lebten. Weiterhin erfahren wir, dass die Kirche und die Schule zu alt und zu eng seien. Beim Lehrer Henkel kommen 145 Kinder (auch aus Reddehausen und Bernsdorf) in die Schule. Wir erfahren auch, dass die Juden die Synagoge in Betziesdorf besuchen und dass sie in Kirchhain beerdigt werden.
Dann hören wir auch, dass die 5 Ziegel- und Backsteinbrenner nach auswärts liefern, und Tagelöhner aus Schwarzenborn und Reddehausen, wo die Löhne noch geringer waren als in Schönstadt, beschäftigten. Die Lehmgruben befanden sich auf dem „Hohenberg”.
Die Gemeinde besaß kein Vermögen, nicht einmal den im Jahre 1914 für die Wasserleitung verkauften Wald am Hohenberg. Wieso dieser Wald 1914 im Besitz der Gemeinde war, muss noch untersucht werden. Auf alle Fälle besaß sie 1857 zwei Hirtenhäuser, zwei Backhäuser, 28 öffentliche Brunnen und die evangelische sowie die alte unbenutzte reformierte Schule.
Wir können noch aus seinen Antworten entnehmen, dass alle 84 Häuser mit Ziegeln gedeckt sind und die Form des Ortes ein Kreuz war und dass die Ortschaft „am Rothenbach” liegt. Die nächste Eisenbahnstation war in Marburg.
Die Wasserversorgung der beiden Gutshöfe erfolgte durch tausend Fuß lange Röhren. Die erstmals im Jahre 1548 belegte „Neue Mühle” scheint noch die größte von den drei Mühlen zu sein, mit 2 Mahlgängen und einem Schlagring für die Ölherstellung.
Die Landwirte besitzen 80 Pferde, 62 Ochsen und Stiere, 200 Kühe, 304 Schweine, 1300 Schafe in 4 Haufen, 37 Ziegen, 2 Esel und 50 Stöcke Bienen.
Elf Landwirte haben mehr als 60 Morgen, vier 50-59, drei 40-49, vier 30-39, sieben 20-29, sechs 10-19, drei 5-9 und neunzehn unter 5 Morgen.
Das bedeutet, dass 57 große und kleine Betriebe existierten. Diese Zahl stimmt auch mit den 55 Landwirtschaftsbetrieben überein, denen noch im Jahr 1838 der Gemeindewald, genannt die Gemeinshecke, zu gleichen Teilen als Rodland übergeben wurde.
Die Ernte von den angepflanzten Fruchtgattungen wird zu einem Drittel sowie Schweine, Butter und Eier nach Marburg verkauft. Die Jauche wurde schon seit einigen Jahren gesammelt und außerdem düngte man in Schönstadt mit Pottasche. Die jüdische Familie Heching befasste sich mit dem Handel in Schönstadt.
Die dörflichen Begebenheiten aus dem 19. Jahrhundert sind schon an einer anderen Stelle, nämlich in der Geschichte der Schönstädter Feuerwehr, beschrieben.
Eines der hervorstechendsten Ereignisse war der Verkauf des gesamten Besitzes der Familie Milchling an den Industriellen Dr. Eugen Lucius im Jahre 1890 gewesen.
Der Einfluss des neuen Besitzers und im Laufe von Jahrzehnten, die daraus entwickelten Dr. Lucius’schen Gutsverwaltungen, hatten eine enorme Weiterentwicklung für die Gemeinde erzeugt.
Die Annahme der Bevölkerung, dass die Dr. Lucius’sche Gutsverwaltung schuld daran war, dass die Bahnstrecke, die 1912 im Wohratal gebaut wurde, nicht durch Schönstadt lief, ist falsch. Im Gegenteil, die Stadt Marburg setzte sich gemeinsam mit dem Maxhof in Bernsdorf, Gutsverwaltung Schönstadt, Ziegelei in Zettrichhausen, Stadt Rauschenberg und der Fiddemühle dafür ein, dass die Strecke Gemünden nicht in Kirchhain, sondern in Bernsdorf von der Main-Weser-Bahn abzweigen sollte. Aber die Kasseler Regierung hat mit d.er Begründung abgelehnt, dass die Strecke sieben Kilometer länger als die im Tal der Wohra ist und außerdem das Gelände viele unterschiedliche Steigungen, die für die Ausgleichungen bedeutend höhere Kosten verursacht hätten, hat.
In Schönstadt war 1775, oder auch schon früher, die Gasse, die heutige „Alte Poststraße”, gepflastert und die Häuser um den Marktplatz hatten schon Bürgersteige. Ob die Pflasterung mit Sand- oder Basaltsteinen erfolgt war, ist nicht überliefert. Die Drusel, die „altmodische Kanalisation” erfüllte seinen Zweck.
Der Kindergarten wurde schon als die Preußen kamen, also im Jahre 1863, eingerichtet. Er stand als sogenannte Kinderschule auf dem Berg (Pinschmidt, frühere Lotto-Toto-Annahme).
Als dann Dr. Eugen Lucius verstarb und Frau Dr. Lucius um die Jahrhundertwende den Kindergarten an der Stelle der alten Bäckerei hinter dem alten Posthaus baute, wurde quasi die Verwaltung des Kindergartens von der Gutsverwaltung übernommen.
Ab 1891 kaufte die neue Gutsverwaltung moderne und große landwirtschaftliche Geräte und benötigte so die doppelten Arbeitskräfte, um eine rentable Landwirtschaft zu betreiben.
Für diesen Aufschwung Dr. Lucius’schen Gutsverwaltung war Herr Major Soller zuständig, der das „Sortiment” vorbildlich führte.
Auch die Gutsinspektoren hatten immer einen besonderen Einfluss auf unsere Gemeinde. Sie waren K. Erb, H. Erb, W. Erb, A. Lienartz und z.Zt. J.M. Meulenberg.
Dann wurde in Schönstadt eine neue Kirche geplant, an Stelle der alten aus dem 13. Jahrhundert. Frau Dr. Lucius finanzierte zum großen Teil den Neubau der Kirche, so dass sie im Oktober 1898 eingeweiht werden konnte. Bald folgte das Vereinshaus mit einer Bücherei.
Der Gutshof wurde neu gebaut und ca. 50 Arbeiter ständig beschäftigt. Schließlich wurde 1914 durch die Abgabe der Quellen am Horchenbach durch die Gutsverwaltung die Wasserleitung gebaut. Frau Dr. Lucius und ihre Nachfolger erhielten nach einem Gemeinde-Beschluss vom 17. Juni 1914 unentgeltlich Wasser.
Der aus Amerika: zurückgewanderte Johannes Pitz, der auch wie sein verstorbener Bruder Bäcker war, hatte mit seiner „Auslandserfahrung” auch einen besonderen Einfluss auf die Gemeinde.
Über 20 Jahre war er Bürgermeister in Schönstadt. Nach dem die alte Wettersehe Stiftsmühle abgerissen war und die Dorfmühle stillstand, kaufte Pitz 1910 das Wasserrecht und das Gelände der kleinen Mühle, nutzte dort die Wasserkraft und baute ein Elektrizitätswerk.
Er betrieb dann eine Dampfbäckerei und seine Maschinen liefen elektrisch. In jedem Hause brannte von da an, anstelle der bis dahin üblichen Petroleumlampe, eine elektrische Glühbirne.
Durch den Aufschwung, den das Dorf miterlebte, entschließt sich Zimmermeister Grün 1906 sein Sägewerk zu modernisieren und baute ein neues Dampfsägewerk, das schon damals etliche Mitarbeiter beschäftigte.
Nach dem 1. Weltkrieg wird ein Fernsprechamt, zuerst mit nur 10 Anschlüssen, eingerichtet (heute gibt es über 400 private und 25 amtliche Anschlüsse mit der Vorwahlnummer 06427 3).
Auch in der nationalsozialistischen Zeit spielte Schönstadt eine bedeutende Rolle für die Umgebung als Sitz der Ortsgruppe. Die Spitze des Erfolges in Schönstadt war erreicht und so entstand das schöne Sprichwort „Geje Schinscht kann sich kee Derf stelle”! Über 40 Jahre war dieses Sprichwort auch Wirklichkeit, heute erscheint es einem wie ein Traum.